Im Dezember 2016 haben wir den letzten Statusbericht zum Themenfeld Outreach in Museen publiziert. Seitdem ist viel passiert: Weitere Stellen als Outreach-Kuratoren wurden an verschiedenen Museen ausgeschrieben, bundesweite Programme gestartet, innovative Modellprojekte entwickelt und Initiativen gegründet. Nicht zuletzt haben wir im letzten Jahr unser Wissen zum Themenfeld Museen und Outreach zusammengetragen, gesichtet, kategorisiert, ausgewertet, neu-kontextuiert und implizites Erfahrungswissen niedergeschrieben. Wir führten Interviews mit Experten aus ausgewählten internationalen Museen und erarbeiteten Empfehlungen. Dieses gesammelte Expertenwissen aus über zehn Jahren wissenschaftlicher und praktischer Beschäftigung mit dem Themenfeld ist im August 2018 im Waxmann-Verlag unter dem Titel “Museen und Outreach. Outreach als strategisches Diversity-Instrument” erschienen. Im Rahmen dieser Arbeit haben wir die seit 2010 bestehende Definition von Outreach weiterentwickelt:
„Outreach ist ein systematischer Prozess, bei dem die Kulturinstitution strategische Maßnahmen abteilungsübergreifend plant, durchführt und evaluiert, um Gesellschaftsgruppen einzubeziehen, die das Kulturangebot aus unterschiedlichen Gründen nicht eigeninitiativ wahrnehmen. Dieser Prozess bewirkt eine Veränderung in der Haltung der Institution, der Diversität des Personals, ihrer Programmgestaltung und Kommunikation. Ziel ist eine diversere, die Gesellschaft widerspiegelnde Besucherschaft“
Scharf/Wunderlich/Heisig 2017
Dieses systemische Verständnis von Outreach als Diversity-Instrument ist immer häufiger in Programmen, Modellprojekten, Initiativen und Stellenausschreibungen zu erkennen.
Zwei Ende 2017 im Rahmen von Modellprojekten ausgeschriebene Stellen zeigen ein Verständnis von Outreach als Instrument zur Veränderung der Organisationskultur in Museen. Bei den Modellprojekten handelt es sich einerseits um die “Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen” der Kulturstiftung des Bundes in Kooperation mit den Staatlichen Museen zu Berlin und andererseits um das Projekt TAMAM, ein Bildungsprojekt, in dem Moscheen mit dem Museum für Islamische Kunst Materialien für die Kulturelle Bildung entwickeln. Auf beide Projekte, deren Verständnis und die praktische Umsetzung von Outreach werden wir in ausführlicheren Beiträgen und Interviews in unseren nächsten Blogveröffentlichungen eingehen.
Die Kulturstiftung des Bundes hat neben der “Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen” ein weiteres Programm entwickelt und 2018 gestartet, das Kultureinrichtungen dabei unterstützt, ihr Personal und ihr Publikum zu diversifizieren. Ausgangspunkt war der Gedanke, dass viele Kulturinstitutionen zwar bereits begonnen haben, die neue Stadtgesellschaft mitzugestalten, sich jedoch die kulturelle Diversität der Städte in den Programmangeboten, im Personal und im Publikum von Kultureinrichtungen noch nicht widerspiegelt. Weder in Entscheidungspositionen noch im Publikum entspricht der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte ihrem Anteil an der Bevölkerung.
Mit dem Programm „360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft”unterstützt die Kulturstiftung des Bundes Institutionen aus den Sparten Kunst, Musik, Darstellende Künste, Literatur, Architektur, Neue Medien und verwandte Formen sowie spartenübergreifende Institutionen und kunst- und kulturhistorische Museen, die sich in ihrem Feld mit Fragen der Gegenwart befassen, die gesamte Gesellschaft in den Blick zu nehmen: Einwanderung und kulturelle Vielfalt sollen als ebenso chancenreiches wie kontroverses Zukunftsthema aktiv in das eigene Haus und in die Stadtgesellschaft getragen und strukturelle Ausschlüsse im Kulturbetrieb vermindert werden. Neben den beiden bundesweiten Programmen der Kulturstiftung des Bundes wurde im letzten Jahr die Initiative für Vermittlung und Outreach des Berliner Senats initiiert. Ziel der Initiative ist es, „dass der Kulturbereich im Programm, Personal und Publikum die Vielfalt der Stadtgesellschaft widerspiegelt. Entscheidend ist dabei, dass junge Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Wohnort, ihrem sozialen Status und ihrem Bildungshintergrund bereits frühzeitig die Möglichkeit erhalten, eigene Erfahrungen mit den vielfältigen Potentialen von Kunst und Kultur zu machen.“ Für die Stärkung der historisch-politischen Bildungsarbeit in Gedenkstätten werden im Rahmen der Initiative Vermittlung und Outreach Mittel in Höhe von 925.000 € jährlich zur Verfügung gestellt.
Im letzten Jahr wurden auch einige weitere Initiativen gegründet, deren Ziel es ist, Kulturinstitutionen dabei zu unterstützen, die gesellschaftliche Diversität auch in ihren Programmangeboten, im Personal und im Publikum zu implementieren. Beispielhaft stellen wir hier den “Kompetenzverbund Kulturelle Integration und Wissenstransfer”, kurz KIWit vor, der die Expertise der Bundesakademie Wolfenbüttel, des Bundesverbands Netzwerke von Migrantenorganisationen (NeMO), des Hauses der Kulturen der Welt, des netzwerk junge ohren und der Stiftung Genshagen vereint und im Herbst 2017 seine Arbeit aufgenommen hat.
»Die KIWit-Mitglieder betrachten Teilhabe an Kunst und Kultur als wichtigen Baustein einer zeitgemäßen Einwanderungsgesellschaft und wollen deshalb diversitätsbewusstes Handeln von Einzelakteur_innen und Institutionen fördern«
Prof. Dr. Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss, Direktorin der Bundesakademie Wolfenbüttel.
Ziel ist es, im kritischen Austausch von Kunstschaffenden und -vermittler*innen, Forscher*innen, Unternehmer*innen, Politiker*innen, zivilgesellschaftlichen Initiativen und Kultureinrichtungen sowie Kulturadministration ein systematisches Konzept der Qualitätsentwicklung und -sicherung zu erarbeiten. Zentrale Fragestellungen sind unter anderem: Wie lässt sich Diversität in Kunst und Kultur fördern? Was braucht es zur Weiterentwicklung von institutionellen Strukturen und individuellen Handlungsweisen? KIWit möchte zudem bereits existierende Initiativen sichtbar machen und einen bundesweiten Austausch fördern. Dazu werden deutschlandweit Workshops, Fortbildungen, Dialogveranstaltungen und künstlerische Labors durchgeführt.
All diese Entwicklungen zeigen die wachsende Bedeutung von Outreach. Unsere Publikation “Museen und Outreach. Outreach als strategisches Diversity-Instrument”zeigt die Stärken von Outreach als strategischem Diversity-Instrument. Es liefert eine Definition von Outreach, entwirft einen Überblick über den Forschungsstand zur aktuellen demographischen und sozioökonomischen Situation des Museumspublikums, zeichnet die historische Entwicklung von Outreach im internationalen Zusammenhang nach und stellt dar, wie sich Outreach im Kontext von Audience Development, Sozialer Inklusion, Partizipation und Empowerment verortet. Für die Umsetzung in der eigenen Institution werden konkrete Handlungsempfehlungen zur Planung und Umsetzung einer Outreach-Strategie erläutert sowie Empfehlungen für kulturpolitische Rahmenbedingungen gegeben.